:: 17.06.2022 – Venedig, Italien ::
7 Uhr. Den Wecker zweimal weggedrückt, aber dann doch aufgestanden. Leise. Der Rest im 6er Schlafsaal pennt noch.
Noch knapp vor 8 Uhr komm ich raus und nehm den ersten Bus Richtung Venedig. Die fahren alle 10 Minuten, also ist das mehr als nur einfach. Hinstellen, warten, einsteigen. Easy.
Okay wo bezahle ich? Kartenautomat gibt es nicht? Vorne beim Busfahrer auch nicht? Mhhh. Außerdem ist der Bus so voll, dass ich da nicht hinkomme. Also fahre ich schwarz. Ich wollte nicht, versprochen. Aber ich kann es jetzt nicht mehr ändern. Nervenkitzel am Morgen. Macht Spaß. Trotzdem.
Ein paar Stationen und 15 Minuten später sind wir da und die Menge strömt ins Freie. Oh es riecht nach Meer. Wie ich das vermisst habe! Mir gefällt es jetzt schon.
Dann rüber über die Brücke Richtung Bahnhof. Den möchte ich sehen und er liegt in direkter Nähe. Ich schaue mir immerhin fast jeden Bahnhof an, wenn ich irgendwo neu bin. Macht doch jeder, oder?
Wobei der hier sehr unspektakulär ist, dafür ist es aber der Blick vorm Bahnhof. Wenn man aus dem Gebäude kommt, ist das schon irgendwie der Hammer, was man direkt alles sehen kann. Ich bin fast sicher, dass ist das beste „ich komm aus dem Bahnhof und es ist geil“ Gefühl, das ich je in einer Stadt hatte.
Und das Ganze sogar, ohne mit dem Zug hierher gekommen zu sein. Das muss man erstmal schaffen.
Egal, ich geniess die Situation und gehe langsam Richtung Rialtobrücke. Einer der Touristen-Hotspots in Venedig.
Okay, so spektakulär sieht die Brücke jetzt von unten nicht aus. Aber gut, dafür entschädigt der Blick von der Brücke auf den großen Kanal. Wow! Was mein Auge hier sieht kennt es zum Teil schon von den Dokus auf Arte und 3Sat und von vielen Bildern auf Instagram. Nun kann ich meine eigenen machen.
Und man kann es nicht anderes sagen, der Ausblick ist wunderschön. So viel, was man hier im Trubel auf dem Kanal und ringsherum beobachten kann.
Auf jeden Fall ist es schön leer und ich muss niemanden von der Brücke schubsen, um in Ruhe den Ausblick zu geniessen. Fast 30 Minuten gönne ich mir hier oben und nur einmal wurde ich in der Zeit gebeten, etwas zur Seite zu gehen. Passt schon!
Aber ich will ja noch vor den Massen auf dem San-Marco-Platz (Piazza San Marco) sein und einen Blick auf den Dogenpalast (Palazzo Ducale) erhaschen.
Oh ja Massen. Die sind hier auf dem Platz selbst vor 10 Uhr schon und stehen an, um in den Palast eingelassen zu werden. Wartezeit 1 Stunde. Mindestens. Möchte gar nicht wissen, wie das später ist. Da muss man echt schon komisch drauf sein, um sich das anzutun, oder?
Und den Blick auf den Palast kann ich zum Großteil vergessen. Baustelle. Überall. Naja, so ist das halt. In Mailand der Dom war fast komplett neu gemacht wurden. Da sah es in den letzten Jahren sicher auch so aus, damit ich dann bei meinem Besuch ein fast perfektes Bild vorfinde. Und hier ist es halt noch in Entstehung.
Mal gewinnt man und mal verliert man. Passt schon.
Ich schaue mich trotzdem ausführlich um und hake damit auch diesen Tourismus-Hotspot ab.
Von jetzt an schlendere ich nur noch durch die Gasse und lasse mich treiben. Dabei immer schön Schattenhopping machen, denn ich Idiot hab natürlich vergessen mich einzucremen. Und einen Sonnenbrand würde ich doch lieber vermeiden.
Ein Café Americano und das obligatorische Croissant später, die kosten in Venedig übrigens auch nicht mehr also woanders, wenn man nicht direkt am San-Marco-Platz kauft, komme ich langsam am Punta della Dogana an. Von hier kann ich sehr schön einen Teil der „Skyline“ von Venedig von der gegenüberliegenden Seite sehen, ohne gleich mit dem Wassertaxi auf eine der vorgelagerten Inseln fahren zu müssen.
Das geniesse ich eine ganze Weile und lasse mich dann für mindesten eine weitere halbe Stunde auf den Treppen beim nahegelegenen Campo della Salute nieder. Hier kann ich wieder so wunderbar Menschen beobachten und dazu das Treiben auf dem Wasser. Der Kanal hier ist viel breiter, eigentlich schon die offene Bucht, und der Verkehr auf dem Wasser ist wie auf einer vollen Autobahn. Wahnsinn und wahnsinnig faszinierend.
Rumsitzen klingt für die meisten Menschen erstmal langweilig. Ist es aber nicht. Zumindest nicht für mich. An der richtigen Stelle rumsitzen ist der Trick.
Aber auf jetzt, es gibt bestimmt noch mehr zu entdecken. Und so treibe ich mich weiter rum, entdecke viele Gassen, wo fast keine anderen Leute sind und verbringe so locker die nächsten Stunden. Eine schönes Stück Spinatpizza stillt zwischendurch den Hunger.
Leider hab ich diese Bar nicht wiedergefunden, wo ich vorhin eine Art von saulecker aussehendes Focaccia-Sandwich mit Tomate und Mozzarella gesehen habe. Das hätte ich sehr gern probiert. Scheinbar gibt es das in der Form so nicht woanders. Schade. Chance verpasst.
Ich tröste mich mit einem Café Americano und ein süßes Teilchen, eine Art Keks mit Zuckerguss und Pistazienstreussel oben drauf Lecker. Nein, kein Croissant diesmal. Wir wollen ja nicht übertreiben.
Übrigens bemitleide ich hiermit einmal offiziell alle Ehemänner oder angehenden Ehemänner, wenn sie mit ihren Frauen auf Reise sind. Was die für Gepäck den Damen hinterherschleppen ist beeindruckend. Das muss echte Liebe sein.
Aber fast noch besser sind die spontanen Fotos. Sie fordert ihn auf: Stell dich mal da vorne an den Pfeiler und tue so, als ob du dich anlehnst und in die Ferne schaust. Oh ja, voll authentisch.
Der gute Herr dachte das sicher auch in dem Moment, wenn ich seine Mimik richtig interpretierte. Trotzdem führte er die noch folgenden 100 Korrekturanweisungen brav aus. Arschbacken zusammen und Brust raus. Steh deinen Mann. Jawohl.
Na hoffentlich lohnt es sich für ihn, denke ich mir nur und gehe weiter. Es blieb kein Einzelfall. Verrückte Welt.
Leider hatte ich dann zum Abend hin noch mein persönliches kleines Waterloo-Erlebnis.
Hungrig vom vielen Rumlaufen dachte ich es wäre eine gute Idee, vielleicht noch eine original italienische Lasagne zu probieren. Wenn man schon mal in Italien ist, bietet sich das doch an, oder? Pizza ist geil, aber ich habe noch kleine Pasta probiert.
Nun stellte es sich als unmöglich heraus, eine vegetarische Lasagne in Venedig zu finden. Happy Cow (empfehlenswerte App für Veganer und Vegetarier) zeigte in ganz Venedig ein einziges veganes Restaurant an und das lag am anderen Ende der Stadt. Zu weit, um da jetzt nochmal hinzulaufen.
Also sprang ich über meinen Schatten und bestelle mir in einer Bar eine klassische Lasagne Bolognese. Schon als sie den Teller brachte, bereute ich es. Kennt ihr die Fotos bei McDonalds und wie dann ein klassischer Cheeseburger wirklich aussieht? So war es hier mit der Lasagne. Ein hingerotzter Haufen.
Leider gibt es keine Pointe und auch kein Happy End. Es schmeckte dann auch so, wie es aussah. Oh je. Da mache ich bessere Lasagne. Und ich kann nicht wirklich kochen. Trust me! Bei beiden Sachen.
Naja, 9 Euro in den Sand gesetzt und ein flaues Gefühl im Magen. Läuft!
Zurück nehme ich den Zug. Mein erstes Mal Zug in Italien. Fährt sogar pünktlich. Traut man den Italienern gar nicht zu. Respekt.
Okay, die Lasagne belastet mich. Trost musste her. Genau, ein Espresso und ein Croissant müssen es richten und helfen mir über den Schmerz. Ciao Lasagne! Danke Espresso & Croissant.
Fast 12 Stunden war ich auf den Beinen. Später im Bett lasse ich das Erlebte Revue passieren. Aber weit komme ich nicht und schlafe erschöpft ein.
Morgen kann ich etwas ausschlafen. Check-out ist 11:00, der Bus fährt 13:50 Uhr. Es geht weiter nach Ljubljana in Slowenien.
CU Ingo.