:: 28.06.2022 – Von Sarajevo nach Mostar ::
Von Sarajevo nach Mostar benötigt man nur 2 Stunden mit dem Zug? Und billiger als der Bus ist es auch noch? Na dann nehm ich doch den Zug. Gesagt getan.
Nach dem Aufstehen ging ich in mein Lieblingscafé in Sarajevo (das Coffe O’clock in der Zelenih beretki, gegenüber der Mariä-Geburt-Kathedrale), arbeitete noch etwas am Laptop, aß einen letzten Hafer-Cookie und machte mich dann auf den Weg zum Bahnhof.
2 km laufen, schwer bepackt, bei 35 Grad. Ging erstaunlich gut. Hätte ich mir echt schlimmer vorgestellt.
Unterwegs schnappe ich mir noch einen Smoothie und eine Packung Protein-Balls, die lecker aussehen, aber ich nicht so recht weiß, was mich erwartet, da ich nicht lesen kann, aus was sie sind. Aber das Zeichen für vegan ist drauf. Passt schon.
Boah ist da viel Ingwer im Smoothie. Gut bei 35 Grad, oder?
Der Bahnhof kommt in Sichtweite. Was für ein trostloser Ort, denke ich mir erneut, wie auch schon beim ersten Besuch hier.
Ich liebe Bahnhöfe und Zug fahren, aber hier hab ich etwas Angst davor, wie die Züge in Bosnien-Herzegowina sein werden, wenn schon der Bahnhof so ausschaut.
Ich habe noch 45 Minuten bis zur Abfahrt.
Ich kaufe ein Ticket, die hier übrigens noch mit der Hand ausgefüllt werden, und setze mich dann in der Bahnhofshalle an einen der Tische von nur 2 offenen Bistros. In den besseren Zeiten gab es hier bestimmt 10-15 Lokalitäten und Geschäfte. Jetzt nur die 2 plus eine Art Reisebüro und eine kleine Spielhalle mit Glücksspielgedöns. Die Dinger gibt es auch überall, oder?
Ich bestelle eine (möglichst eiskalte) Coca-Cola Zero. Beim Bringen des Getränks erklärt mir die Besitzerin des Bistros stolz, dass sie extra für mich die Coca-Cola Zero von ganz unten aus dem Kühlschrank geholt hat. Niedlich und ich bedanke mich artig.
Sie lächelt dabei. Ihre gelbbraunen unvollständigen Zähne sind keineswegs niedlich und der Anblick raubt dem Moment irgendwie die Magie.
20 Minuten vor Abfahrtszeit fällt mir ein, dass so ein Zug ja immer schon eher kommt. Also trinke ich schnell aus und gehe auf den Bahnsteig, um nachzuschauen.
2 modern aussehende Züge stehen an Steig 2. Mhhh. Aber nirgendwo ein Schild, ob jetzt der auf dem rechten oder dem linken Gleis mein Zug ist. Verdammt. Irgendwo muss das doch stehen?
Nö, steht nirgendwo. Wäre ja auch zu einfach. Also frage ich und meiner ist der rechts. Okay, Danke! Ich denke nicht weiter darüber nach und steige ein.
Wow! Ein richtig normaler moderner Zug, wie er auch bei uns in Deutschland als Regionalbahn oder Regionalexpress eingesetzt werden würde. Oder vielleicht sogar eher schon als IC. Ich bin positiv überrascht.
Die Abfahrt erfolgt aus mir unerklärlichen Gründen 5 Minuten zu spät. Aber egal, ich bin unterwegs und werde in 2 Stunden ankommen. Rechtzeitig, um stressfrei einchecken und dann noch abends einen ersten Erkundungsgang durch Mostar machen zu können. Planung ist halt alles, richtig?
Möööp! Falsch! Bevor mein Plan zusammenbricht, geniesse ich aber ein paar wirklich tolle Aussichten auf hohe grüne Berge und tiefe Täler mit türkisen Seen und Flüssen. Die Strecke führt in vielen Windungen die Berge rauf und passiert dabei endlose Tunnel und Brücken. Es ist toll anzuschauen und ich genieße die Szenerie durch die leider ziemlich dreckigen Fenster.
Ich wusste ehrlich gesagt nicht, dass Bosnien-Herzegowina so bergig ist und bin allgemein davon angetan, wie toll die Landschaft hier ausschaut.
Es gibt eine Durchsage im Zug. Ich verstehe kein Wort. Alle fangen an, ihre Sachen zu packen. Ich und ein paar andere Backpacker schauen sich fragend um. Mostar ist noch 1 Stunde entfernt. Was ist los?
Ein Schaffner kommt vorbei und ich frage, was los ist. Seine kurze, aber hilfreiche Antwort: Train broken, Bus. Ah ja, verstehe. Also raus hier und mit dem Bus weiter, weil irgendwas mit dem Zug nicht stimmt. Na toll. Wer weiß wie lange das jetzt dauern wird, bis die hier Busse organisiert bekommen.
Beim Aussteigen gibt es kurz eine kleine Aufregung, weil der Zug plötzlich beginnt leicht rückwärts zu rollen. Die Schaffner (Warum gibt es hier plötzlich 4 Schaffner?) fangen wie wild an zu schreien. Zu Recht, die Situation ist gefährlich. Die Leute steigen bereits aus!
Aber wenige Sekunden vergehen nur und mit einem Ruck kommt der Zug ca. 1 Meter weiter zurück wieder zum Stillstand. Puh! Das hätte auch mies enden können.
Die Schaffner fluchen auf bosnisch vor sich hin. Ich verstehe es zwar nicht, aber es ist nur unschwer zu erkennen, dass es definitiv nichts Nettes ist.
Wir warten vor dem Bahnhof. Niemand weiß so recht, was los ist und auch die Schaffner wirken leicht ratlos.
Es dauert dann aber nur ca. 30 Minuten, bis in der Tat 3 Busse kommen. Aber die sind nicht leer, sondern es steigen Leute aus und gehen in den Bahnhof zum Zug.
Mhhh. Also so richtig planlos sah das jetzt nicht aus. Eher wie normaler Schienenersatzverkehr. Warum dann die gesamte Aktion an sich so spontan und die Schaffner planlos wirkten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich bin verwirrt, steige aber in den Bus ein und wir fahren los. Es geht ca. 30 Minuten auf der Straße weiter über andere Berge und durch andere Täler. Immer noch schön anzusehen.
Dann hält der Bus wieder vor einem Bahnhof. Ha! Also doch! Ist nur so etwas wie Schienenersatzverkehr. Es geht wieder in einen Zug.
Die ganze Aktion kostet aber gut 120 Minuten extra und statt gegen 19:00 Uhr in Mostar anzukommen, bin ich erst gegen 21:00 Uhr da. Aber ich bin da. Das zählt.
Auch der Bahnhof von Mostar macht einen sehr trostlosen Eindruck.
Im Hostel (Hostel Madjas, ca. 12 EUR/Nacht inkl. Frühstück) werde ich dann sehr freundlich mit einem Glas kalter, aber übersüßter Limonade empfangen, suche mir nach einer kurzen Einweisung mein Bett aus und mache mich fertig, um trotzdem noch in die Stadt zu gehen, denn ich bin hungrig.
Da die Altstadt von Mostar sehr kompakt ist, sehe ich an dem Abend auch gleich noch die berühmte alte Brücke (Stari most), von der sich Tag für Tag ein paar Wagemutige die ca. 23 Meter in den Fluß Neretva stürzen. Verrückt, oder?
Ich verweile etwas am Fuße der Brücke und geniesse das Treiben. Es ist zwar offensichtlich sehr touristisch hier, aber es hält sich grad noch so in Grenzen.
Mein Magen erinnert mich daran, dass ich heute noch nicht so richtig etwas gegessen habe. Aber auf dem Weg hatte ich bisher auch wieder nur die üblichen Grillplatten aus Massen an Fleisch, Döner Kebab und Ćevapčići gesehen.
Oh je, Essen in Bosnien-Herzegowina ist jetzt für einen Vegetarier echt nicht ganz so leicht. Gerade wenn man neu an einem Ort ist.
Ich finde dann aber ein Bistro, wo ich mir einen normalen Salat und eine Portion Pommes bestelle. Kein Festmahl, aber das muss heute reichen.
Ich schiebe ein Eis nach. Mhhh schmeckt das Kirscheis hier lecker.
Eine Dusche später liege ich im Bett und schlafe ein …
… und werde 1 Stunde später von einer heimkehrenden Zimmergenossin geweckt. Leise ist anders. Wobei, sie versucht es wenigsten.
Kurz danach kommt auch noch die zweite Zimmergenossin. Ein Bett bleibt diese Nacht frei in unserem 4er Schlafraum.
Ich werde diese Nacht lange brauchen, um wieder einschlafen zu können. Die Beiden schnarchen wie ein Dutzend Seemänner. Wie können 2 hübsche Frauen nur solch hässliche Geräusche machen?
Irgendwann bin ich dann wohl doch eingeschlafen.
CU Ingo.