:: 15.07.2022 – Von Zabljak nach Podgorica ::
4 Uhr klingelt der Wecker. Auweia! Wer hat sich nur eine Abfahrtszeit von 5:13 Uhr für den Bus nach Nikšić ausgedacht?
Ich verfluche die Welt und speziell den Fahrplanplaner und drücke die Schlummer-Taste.
Zweimal Schlummern später spüre ich beim Aufstehen jeden Muskel meines Körpers. Die Wanderung gestern fordert ihren Tribut. Man wird halt nicht jünger.
Vielleicht sollte ich nächstes Mal eine Wanderung mit Schwierigkeitsgrad „easy“ versuchen? Oder gibt es spezielle Ü50 Wanderungen? Oookay, ich bin ja noch keine 50. Egal.
Ich putze mir im Halbschlaf die Zähne und packe danach meine restlichen Sachen zusammen.
Der Weg zum Bus ist kurz. Ich bin ca. 20 Minuten vor Abfahrt zusammen mit einer anderen Person der Erste an der Haltestelle.
Ist das der gleiche mürrische Busfahrer, wie auf der Hintour? Oh je. Ja ist er. Ich hoffe der fährt heute in der Frühe nicht so rasant wie auf dem Weg hierher.
Ich kaufe eine Fahrkarte und löhne meinen obligatorischen 1 EUR extra fürs Gepäck. Gerade diesem Busfahrer gönne ich es nicht. Es fühlt sich immer noch wie Abzocke an.
Dann suche ich mir den besten Platz im Bus aus, ist ja noch alles leer. Wer fährt schon 5:13 Uhr mit dem Bus?
Doch so einige, wie sich in den nächsten 20 Minuten bis zur Abfahrt herausstellen sollte. Es kommen immer mehr Leute und als es dann mit ca. 10 Minuten Verspätung losgeht, ist der Bus gut gefüllt.
Ich habe zum Glück eine 2er Reihe für mich alleine. Auf der döse ich im Halbschlaf vor mich hin. Irgendwann fährt der Bus los.
Was miaut denn hier? Egal, vielleicht nur geträumt. Ich war kurz weggenickt.
Moment, irgendwas miaut doch hier? Ich bekomme mit, dass in der zweiten Reihe vorn eine ältere Frau mit einem Transportkäfig für Kleintiere auf dem Schoß sitzt. Da ist eine Katze drin, oder? Ein miauen bestätigt meine Vermutung.
Der Busfahrer raucht. Eklig! Und unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten völlig indiskutabel!
Außerdem spricht er auf ziemlich herrische Art mit einer jungen Frau in der ersten Reihe und mit der älteren Frau mit der Katze. Ich bekomme nicht mit, um was es geht. Nur so viel, die beiden sind offensichtlich aus der Ukraine.
Das Gespräch scheint an Dynamik zuzunehmen. Der Busfahrer ist nur am Meckern. Ich verstehe nichts.
Die junge Frau schnappt sich ein paar Sachen, den Käfig und geht damit auf die Bordtoilette. Der Busfahrer ist weiter am Meckern und Fluchen.
Ich verstehe nicht ganz. Stört ihn das Miauen? Ist doch nur halb so wild.
Irgendwann hält er den Bus abrupt an der Straßenseite mitten im Nichts an, springt auf und reisst die Tür zur Bordtoilette auf. Offensichtlich beschimpft er die junge Frau mit der Katze und flucht dabei lautstark.
Alle im Bus schauen entsetzt auf die Situation und sehen sich fragend an. Ich bin glaub ich nicht allein mit dem Gedanken, ob man hier eingreifen sollte oder nicht.
Noch bevor ich den Gedanken zu Ende bringe, schmeisst er fluchend die Tür der Bordtoilette wieder zu und fährt weiter.
Irgendwann taucht auch die junge Frau mit der Katze wieder auf. Sie scheint sich bei dem Idioten von Busfahrer zu entschuldigen und hat einen zugeknoteten Kunststoffbeutel in der Hand.
Nun verstehe ich, die Katze hat wahrscheinlich ihr Geschäft gemacht und das ist bei Katzen in der Regel ziemlich geruchsintensiv. Ich selbst roch aber überhaupt nichts.
So ist das nun mal. Tiere auf Reisen sind immer schwierig. Ich bin trotzdem der Meinung, der Busfahrer hat kein Recht so mit der Frau umzugehen.
Sie gibt den Käfig wieder der älteren Frau in der zweiten Sitzreihe und legt den Beutel neben sich auf den Boden.
Der Busfahrer rastet aus, bringt den Bus erneut abrupt am Straßenrand zum Stehen und herrscht die junge Frau an. Er öffnet die Tür und sie muss den Beutel (wohlgemerkt aus Kunststoff, zugeknotet und nichts riecht) aus dem Bus an den Straßenrand werfen.
Sie versucht zwar mit dem Busfahrer zu reden, aber keine Chance. Der Typ ist voll crazy.
Ich bin gedanklich auf jeden Fall schon soweit einzugreifen, und hab auch schon vorsorglich meine Kopfhörer und das Handy verstaut, sollte er die Frau anfassen. Zum Glück kommt es dazu nicht.
Die Fahrt geht weiter und bis zu unserem Ziel in Nikšić passiert dann nichts mehr.
Ich kann im Nachgang nur den Kopf schütteln und bewundere diese junge Frau, wie sie die Situation wegstecken konnte. Aber ich habe auch Mitgefühl mit ihr, denn niemand sollte so behandelt werden. Es ist demütigend.
Für den Busfahrer habe ich nur verständnisloses Mitleid über. So ein armseliger Wurm.
In Nikšić kaufe ich mir eine Fahrkarte für den Zug. 1,50 EUR ist sehr günstig. Leider haben die Länder hier nur sehr dürftig ausgebaute Schienennetze, so dass der Bus oft das einzig mögliche Verkehrsmittel bleibt. Ich würde viel lieber öfters Zug fahren.
Jetzt muss ich fast 4 Stunden auf den Zug warten. Dazu werde ich mir wohl ein Bistro suchen. Aber was hat denn hier schon 7 Uhr auf?
Wie sich herausstellt ziemlich viel. Eigentlich macht alles bereits 7 Uhr auf. Toll!
Ich schaue kurz in meine Happy Cow App und bin erstaunt, dass hier in der Provinz sogar ein Restaurant als Vegan & Vegetarisch gekennzeichnet ist. Pekara der Name des Restaurants. Heißt Pekara nicht eigentlich Bäckerei? Na mal schauen, was das wird.
Ich laufe die ca. 1.000 Meter dahin und erblicke ein schönes kuschliges Café. Und die Karte verspricht viele leckere Sachen. Ich weiß gar nicht, was ich essen soll. Es klingt alles so toll.
Ich bin positiv überrascht, so etwas hier gefunden zu haben und esse und trinke mich die nächsten Stunden quer durch die Karte. Eigentlich gar nicht meine Zeit so früh, aber was muss das muss, oder?
Ich werde auch daran erinnert, warum man im Supermarkt Kekskrümel kaufen kann. Die passen super zu der Nutella auf den Crêpes bzw. Palačinke, wie man hier sagt.
Ich komme mit dem Kellner ins Gespräch und er versucht seine Kollegin zu überreden, ihre Kenntnisse in Schuldeutsch an mir auszuprobieren. Sie traut sich nicht. Die Situation erlebe ich nicht zum ersten Mal. Sie ist aber immer wieder amüsant.
Nebenbei erfahre ich, dass man auch von Nikšić sehr gut zu Tagestouren in den Durmitor-Nationalpark und der Tara-Schlucht aufbrechen kann. Muss ich mir merken. Kulinarisch ist das hier um Welten besser als in Zabljak.
Irgendwann muss ich aber los und laufe zum Bahnhof. Der Zug steht 20 Minuten vor Abfahrt schon bereit und das ist gut so. Denn es sind draußen über 35 Grad und drinnen läuft bereits die Klimaanlage. Sehr gut!
Es sind dann sehr entspannte 1,5 Stunden Fahrt nach Podgorica, der Hauptstadt Montenegros. Die Ausblicke zwischendurch sind toll.
Ich nicke während der Fahrt ein paar Mal kurz weg und denke mir im Halbschlaf so, ich werde in Podgorica nicht viel machen. Gut das ich vorab bereits weiß, dass die Hauptstadt Montenegros eine ziemlich langweilige Stadt mit wenigen Highlights sein soll. Das passt ja dann.
Was auch passt, mein Hostel heißt TravelBreak. Und genau das brauche ich nach der kräftezehrenden Wanderung gestern. Eine kurze Auszeit vom Reisen. Ich bemerke außerdem, wie sich zwei große Blasen jeweils unter meinen großen Zehen bildet. Das wird noch lustig werden.
Das Hostel ist vom Bahnhof zum Glück nicht weit weg. Ein Großmütterchen weist mir auf den letzten Metern ungefragt den Weg. Sie erkennt scheinbar all die Leute, die mit dem Backpack hier langlaufen und zum Hostel wollen. Ich bedanke mich höflich.
Wie sich später herausstellt, putzt sie im TravelBreak Hostel.
Dort angekommen werde ich sehr herzlich von Miro empfangen. Ihm gehört das Hostel und man merkt gleich, dass er es mit Herz und Seele betreibt. Es hat sofort ähnliche Vibes wie in Mostar bei Madja.
Es ist halt etwas anderes, wenn der Besitzer auch gleichzeitig der Betreiber ist. Ich sage nicht, dass es zwangsläufig immer besser ist, aber es hat auf jeden Fall immer ein anderes mehr familiäres Gefühl in solchen Hostels. Love it!
Ich kann mir mein Bett aussuchen, da ich der erste Gast bin. So etwas ist immer gut.
Duschen und chillen. Vielleicht zum Abend kurz raus und etwas futtern. Mehr wird heute nicht passieren.
Mal schauen, ob ich die kommenden 2 Tage überhaupt etwas machen werde.
CU Ingo.