:: 11.07.2022 – Von Kotor nach Zabljak ::
Zu 90% wieder fit, frühstücke ich ein letztes Mal im Hostel „Hintern“ mein leckeres Müsli. Das restliche Pulver vom Reisdrink stecke ich ein. Wer weiß, für was das noch gut sein wird.
Dann geht es wieder los. Die Busstation ist nur 5 Minuten entfernt.
Ich habe noch kein Ticket, da man nach Zabljak keine Tickets online kaufen kann, nur vor Ort und auch nicht vorab. Ich hatte mich zu Beginn gleich erkundigt gehabt, ob ich reservieren muss, aber es wurde mir gesagt, dass immer genug Plätze frei sind.
Warum auch immer, kein Ticket zu haben und auf die Aussage einfach so zu vertrauen, macht mich nervös. Sollte es aber nicht, denn darum geht es ja auch beim Reisen. Loslassen von alten Zwängen, Vertrauen haben in die Dinge, die da kommen werden. Oder auch nicht. Flexibel sein und sich auch einfach mal treiben lassen.
Ich arbeite innerlich an meiner Einstellung und kaufe ohne Probleme ein Ticket nach Zabljak.
19 EUR? Ganz schön teuer für die kurze Strecke. Mhhh … na gut. Hab eh keine Wahl.
30 Minuten später kommt ein kleiner Bus. Ungefähr halb so groß wie ein normaler Bus. Dieses Modell fährt gerade wirklich viel herum. Also werd ich mit so einem Bus in die Berge fahren. Na mal schauen.
1 EUR fürs Gepäck. Ja ich hab’s kapiert. Man ist der Busfahrer mürrisch.
Ich hab eine 2er Reihe für mich allein. Der Bus ist gerade einmal zur Hälfte gefüllt.
So kann ich die Fahrt geniessen. Es gibt unterwegs wieder ein paar sehr schöne Ausblicke, aber wie immer sind die Scheiben des Busses extrem dreckig. Fotos machen lohnt da echt nicht. Buh!
Da fällt mir ein, warum gibt es nicht extra Plätze im Bus für Fotobegeisterte? Gern 5 EUR extra und dafür wird die Scheibe nach jedem Stop kurz geputzt oder man hat ein Guckloch in der Scheibe für die Kamera. Das wäre doch was, oder? Ich würd’s buchen!
Früher war eh alles besser. Man konnte noch die Scheiben öffnen und sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen lassen. Da ging das dann auch mit dem Fotografieren. Hach die gute alte Zeit mit Feinstaub ohne Ende im Gesicht.
Der Busfahrer fährt ziemlich schnell und gefühlt auch hektisch. Das gefällt mir nicht und erinnert mich entfernt an unsere Horrorbusfahrt in Vietnam nach Sapa. Hier geht zum Glück aber alles gut.
Oh und der Busfahrer raucht beim Fahren. Kann man sich nicht vorstellen, oder? Ist aber so. Sehr nervig und überhaupt nicht vertrauensfördernd!
Wir kommen in Zabljak an und beim Aussteigen merke ich schon den Temperaturunterschied. Hier ist es angenehm frisch. 18-20 Grad und das merkt man, wenn man im Schatten steht. In der Sonne ist es aber super angenehm bei diesen Temperaturen. Eine willkommene Abwechslung von den 35 Grad und mehr vorher.
Meine Sachen habe ich kurz an eine Bank angelehnt, die zu einer Art Bistro gehört, das hier an der Busstation wahrscheinlich ab und zu mal Gäste bewirtet. Jetzt war aber alles leer. Die Busstation ist komplett verwaist.
Ein Mann kommt aus dem Häuschen und wirft mir 2 Worte vor die Füsse. Pivo (Bier)? Vode (Wasser)? Ich lehne dankend ab und versuche nett zu erklären, dass ich nur schnell meinen Rucksack aufsetze und dann weg bin.
Er reagiert extrem mürrisch (vielleicht ist das Bergvolk hier ja immer so drauf, der Busfahrer war auch schon so) und textet mich bemerkbar unfreundlich in seiner Sprache zu. Ich verstehe die Wörter Bagaz (Gepäck) und Garderoba (braucht wohl keine Übersetzung) und weiß, dass ich hier nicht mein Gepäck abstellen soll, sein Bistro ist keine Garderobe.
Ich schaue mich um, deute auf den verwaisten Ort und texte in meiner Sprache zurück, dass aktuell in seinem Scheißladen kein Gast auf ihn wartet und es keine Rolle spielt, ob ich mich jetzt sofort verdrücke oder in Ruhe meinen Rucksack aufsetze. Ich sage das aber alles in einem sehr freundlichen Ton und lächele dabei.
Wie kann man nur so sein? Ich tue niemanden etwas und behindere keinen. Das ist reine Schikane von dem. Ich hasse so etwas und bin wahrscheinlich das erste Mal richtig sauer.
Er textet weiter und ich texte zurück, immer noch freundlich, aber mit den heftigsten Kraftausdrücken, die mir so einfallen.
Wir sind allein und er versteht mich nicht. Es ist egal und auch besser so, hilft mir aber, Dampf abzulassen.
Ich bin die gesamte Zeit über freundlich und irgendwann habe ich auch meinen Rucksack (man ist der schwer) aufgesetzt und bin abmarschbereit. Ich lasse diesen mürrischen Zeitgenossen grummelnd zurück.
Mein Zimmer, ja ich habe mal ausnahmsweise ein Privatzimmer genommen, die sind hier einfach zu günstig gewesen, ist nur ein paar hundert Meter von der Busstation entfernt. Sehr angenehm.
Dort angekommen muss ich erstmal die Vermieter finden. Meine Rufe im Haus bleiben unbeantwortet. Dann gehe ich um das Haus herum. Da es am Hang liegt, ist hinten noch ein Eingang in den Keller.
Als ich durch die Tür gehe, kommt mir bereits eine Wolke Zigarettenqualm entgegen. Einen Raum weiter scheuche ich 4 oder 5 Frauen auf. TV schauend und rauchend. Der Tisch sieht wie bei einer Hartz4 Doku auf RTL aus. Volle Aschenbecher, Flaschen, Gläser und anderer Müll. Oh Gott wo bin ich hier gelandet?
Die Frauen schauen mich fragend an. Ich denke mir so, ihr seht aber fertig und verbraucht aus. Ich entschuldige mich gedanklich sofort dafür, aber das Bild ist einfach zu grotesk. Ich glaube sogar, ich musste kurz lachen.
Die Jüngste und doch noch recht normal aussehende Frau kommt auf mich zu und ich frage sie, ob ich hier richtig bin für das Zimmer. Sie spricht zum Glück Englisch, was ich bei dem Rest der Truppe bezweifle, so wie die ausschauen.
Ich bin richtig. Sie zeigt mir mein Zimmer, welches mit 4 anderen Zimmern im oberen Teil des Hauses liegt, mit dem Eingang auf der anderen Seite. Ich bin erleichtert, dass das Zimmer einen halbwegs freundlichen Eindruck macht und auch nicht, zumindest nicht auf den ersten Eindruck hin, nach Rauch stinkt.
Auf den ersten Schock folgt also Erleichterung. Es wird sich später jedoch herausstellen, dass es leider von Zeit zu Zeit stark nach Rauch riecht, denn ein Zimmer der Vermieter scheint zu diesem Bereich anzugrenzen und ab und zu wird die Tür geöffnet oder steht einfach für längere Zeit offen.
Für diese Frauen wurde das wort Kettenraucher erfunden. Nervig.
Da ich nur zum Schlafen hier bin, wird das Problem mich nicht sehr stören, aber es war trotzdem irgendwie eine nicht so schöne Situation. Ich hätte wohl doch ins Hostel gehen sollen.
Den Nachmittag verbringe ich mit einem ersten Spaziergang durch das sehr kleine Städtchen Zabljak. Ich sichte und sortiere schonmal gedanklich die Angebote der Touranbieter bzgl. Rafting, Canyoning und anderen Aktivitäten, die auf der Straße und an den Häusern Werbung dafür machen.
Ich möchte ja möglichst zur Tara-Schlucht (Tara Canyon), der zweittiefsten Schlucht der Erde. Die liegt aber von Zabljak noch ca. 20 km weit entfernt und Auto mieten ist mit 100 EUR/Tag viel zu teuer. Scooter (Motorroller) mieten gibt es leider nicht. Quads gibt es, aber nur als geführte Tour. Dafür ist mir der Spaß zu teuer, wenn ich dann nur jemanden hinterherfahren darf.
Ich werde morgen entscheiden, welcher der Möglichkeiten ich in Anspruch nehmen werde.
Den Tag schließe ich mit einem Besuch im Supermarkt ab und kaufe mir nochmal so ein leckeres Müsli. Reisdrinkpulver habe ich ja noch und einen Wasserkocher gibt es auf dem Zimmer auch. Das wird reichen.
Der Tag sollte eigentlich ein ganz ruhiger Reisetag werden, aber es war dann doch viel mehr los als gedacht.
Ich lasse im Kopf alles Review passieren und schlafe recht schnell und erschöpft ein.
CU Ingo.