Weltreise Step #10: In Mostar

Mostar 2022 Titel

:: 29.06.2022 bis 03.07.2022 – Mostar, Bosnien-Herzegowina ::

Mostar, ich habe 5 volle Tage für dich und deine angeblich so schöne Umgebung.

Das ich 6 Nächte direkt vorab gebucht hatte, ist gleich ein Thema, als ich im Hostel Madjas ankomme. Sie (Madja) fragt nach, ob das richtig ist oder ich mich verklickt hätte. Ich bin verwirrt.

Natürlich ist es korrekt. Sie meint, das wäre total unüblich. Meist kommen die Leute 1-2 Tage und verlängern dann, wenn es ihnen gefällt. Ich sage ihr, das ich aufgrund der Reviews gleich ein sehr gutes Gefühl hatte (was wirklich so war) und verkneife mir den Zusatz, dass das Hostel außerdem verdammt billig war.

Wobei günstig das bessere Wort ist. Das Hostel Madjas in Mostar ist echt ein Schnäppchen und ein Schmuckstück zugleich. Es kostet grad mal ca. 12 EUR/Nacht und das sogar inkl. Frühstück.

Ich kämpfe die gesamten 5 Tage mit mir, ob ich ihnen ein paar Businessratschläge gebe oder nicht. Ich lasse es.

Auf jeden Fall verbringe ich in dem Hostel eine wunderbare Zeit und ich kann es uneingeschränkt empfehlen. Ich habe selten so viel Herzlichkeit und Offenheit erlebt.

Die Atmosphäre in einem Hostel ist immer sehr abhängig von den Reisenden, die dort verweilen, aber hier merkt man auch, dass durch die persönliche Note der Besitzer viel in die richtige Richtung gelenkt werden kann.

Ich bekomme gleich zu Beginn viele Tipps und die Frage, ob ich an einer Tagestour in die Umgebung teilnehmen möchte. Ich lehne freundlich ab. Ich möchte mich erstmal orientieren und schauen, was es so gibt und wie ich das am besten und am günstigsten unter einen Hut bekomme.

Mostar ist sehr kompakt, wenn man die äußeren Bezirke mal ignoriert, da sich dort eh nicht so viel Interessantes befindet. Die Altstadt ist sehr einfach zu erlaufen und man kehrt irgendwie immer zu der alten Brücke (Stari most) zurück.

So auch am 1. Tag, wo ich den frühen Abend einfach nur mit chillen am Fuße der Brücke verbrachte, nachdem ich vorher einen Laden aufgestöbert hatte, wo es leckere Homemade-Pasta gab, auch in vegetarischer Variante.

Von der Brücke springen ab und zu junge Männer, vom örtlichen Diving Club organisiert, die vorher aber ordentlich Geld bei den Touris einsammeln. Ich habe gehört, dass sie erst so ab ca. 50 EUR springen und das kann dann schonmal dauern.

Überhaupt ein seltsames Konzept, Geld von anderen einzusammeln, damit man selbst Spaß hat. Aber hey, wenn es funktioniert, why not? Solange die Touristen zahlen und sich unterhalten fühlen. Sollen sie machen. Ich nicht.

Ab und zu springen auch Fremde, meist Backpacker. Verrückt!

Aber man darf nicht mehr einfach so springen, denn die ca. 23 Meter haben schon einige Todesopfer gefordert. Pro Jahr stirbt hier statistisch gesehen 1 Mensch beim Springen von der Brücke. Dazu kommen unzählige gequetschte Hoden, ausgeschlagene Zähne, gebrochene Beine oder ausgerenkte Schultern. Die Brücke fordert ihren Tribut ein.

Deswegen muss man mit den Leuten vom Diving Club erst nebenan auf einen Turm und nach Einweisung von 10 und 15 Metern springen. Wenn man das gut überstanden hat, dann darf man auf die Brücke.

Während meiner Zeit dort ist leider kein verrückter Backpacker gesprungen. Bemerkt man gequetschte Hoden eigentlich sofort oder kommt das erst ein paar Tage später? Fragen über Fragen.

Ein paar Leute vom Hostel kommen vorbei und springen (nicht von der Brücke, einfach nur so) in das ca. 12 Grad „warme“ Wasser. Bei den 38 Grad sicher eine tolle Erfrischung. Ich habe meine Badehose nicht dabei. Argh!

Aber selbst nur knietief im Wasser zu stehen tut gut. Neben mir steht ein Amerikaner, der in Hamburg ein Ökoprojekt mit seinem Studium verbindet. Irgendwie so etwas. Er zeigt seinem Buddy aus Amerika mal Osteuropa. Interessant.

Ich erkläre ihm, wie das mit der Brücke und dem Springen funktioniert. Er versteht leider nicht, was gequetschte Hoden sind und mir fehlt die englische Übersetzung dafür. Nach ein bisschen Pantomime können wir aber auch das irgendwie klären.

Wir sind uns einig. Der Gesundheit wegen verzichten wir auf das Springen von der Brücke. Ich wünsche den Beiden noch eine gute Reise und mache mich auf den Rückweg.

Später am Abend im Hostel fragt mich Martin, ein Norweger aus Kopenhagen auf Kurztrip in Bosnien, ob ich die Tagestour mitmachen möchte. Sie sind nur 3 Leute (neben Martin noch Tom aus UK und Naomi aus Australien) und es geht erst ab 4 Leuten los.

Ich mag organisierte Touren meist deswegen nicht, weil mir die Gruppen in der Regel zu groß sind. 4 klingt toll. Ich sage zu. Morgen geht es also einen gesamten Tag in die Umgebung von Mostar.

Die Tour macht der Bruder (dessen Namen ich leider vergessen habe) von Madja. Er steigt noch in Mostar gleich zu Beginn mit vielen Information zum Krieg und der allgemeinen Situation in Bosnien ein.

Man merkt sofort, wie unzufrieden er mit der aktuellen politischen Lage ist und hat eine sehr starke Meinung zum Krieg an sich. Es ist sehr interessant, mal die bosnisch gefärbte Sichtweise zu diesem Konflikt zu hören, auch wenn ich nicht alles teile. Die Wahrheit liegt wohl wie immer irgendwo in der Mitte.

So war mir nicht bewusst, dass in dem Krieg auch die Kroaten heftig mitmischten und speziell hier in Mostar die meiste Zerstörung anrichteten.

In meinem von westlichen Medien geprägten Weltbild sind ja die Serben die Bösen, woran ich auch nach meinem Bosnien Trip keine allzu großen Zweifel habe, aber die Kroaten waren bisher immer ein Teil der Guten. Immerhin sind sie auch in der EU, richtig?

Aber es waren die Kroaten, die die alten Brücke, die in Wirklichkeit ja eine neu erbaute Brücke ist, zerstörten. Das waren weder die Serben, noch die Bosnier oder andere beteiligte Kriegsparteien, die aus strategischer Sicht gute Gründe gehabt hätten, diese Brücke zu zerstören.

Nein, es waren die Kroaten bzw. von Kroatien unterstützte Separatisten, die dies aus reiner „euch zeigen wir es“ Absicht getan haben. Interessant, oder?

Außerdem fanden in der Region um Mostar durch die Kroaten organisierte ethnische Säuberungen statt. Die Einwohner eines Dorfes wurden nicht einfach nur vertrieben, nein das gesamte Dorf wurde danach dem Erdboden gleich gemacht, damit die Geflohenen keinen Grund haben, zurückzukehren. Das typische Schema für ethnische Säuberungen.

So geschehen in dem sehr schönen mittelalterlichen Dorf Počitelj, welches nach dem Krieg komplett wieder aufgebaut wurde.

Noch eine Provokation der Kroaten gefällig? Sie erbauten auf einem Berg über der Stadt ein großes weithin sichtbares Kreuz. Das Symbol für das Christentum. Übrigens an der Stelle, von der aus sie die Stadt vorher monatelang mit Artillerie und Panzern beschossen hatten.

Mostar 2022-1007

Warum braucht eine mehrheitlich muslimisch geprägte Stadt wie Mostar gleich nochmal ein von jedem Ort aus sichtbares Symbol des Christentums?

Genau! Braucht es überhaupt nicht. Es ist eine reine Machtdemonstration der Kroaten und deren Anhänger in der Region.

Bosnien wird von 3 ethnischen Gruppen dominiert. Den Serben, den Bosniern (wobei es da nochmal Unterschiede zwischen Bosniern und Bosniaken gibt, die ich bis heute nicht so recht verstanden habe) und den Kroaten. Hier in Herzegowina sind es aufgrund der Lage logischerweise die Kroaten.

Das Land hat auch 3 Präsidenten und bei politischen Entscheidungen müsse sich alle 3 einig sein. Man kann sich ja vorstellen, dass hier nichts vorwärts geht, weil ein solcher Kompromiss fast nie zu erreichen ist.

So ist es nicht verwunderlich, dass ich in meiner Zeit in Bosnien-Herzegowina sehr viele Klagen über die aktuelle politische Lage gehört habe. Niemand scheint so recht zufrieden zu sein.

Aber immerhin loben sie den aktuellen bosnischen Präsident. Der scheint was bewegen zu wollen und hat sehr gute Ideen. Alle sprechen positiv über ihn. Aber auch ihm sind die Hände größtenteils gebunden. Es muss sich erst zeigen, was er bewegen kann.

Auf jeden Fall merkt man, dass es im Land noch brodelt und wenn speziell die Serben in ihrer eigenen Republik Srpska weiter zündeln, dann knallt es hier bald noch mal so richtig. Ich habe nicht wenige Stimmen gehört, die mit einem neuen Krieg rechnen.

Bei der Erwähnung der Republik Srpska muss ich nur den Kopf schütteln. Was für ein politisches Frankensteinmonster haben die denn hier nach dem Krieg installiert, Stichwort Friedensvertrag von Daytona, wenn es in einer Föderation, denn das ist Bosnien-Herzegowina eigentlich, eine eigene Republik unter Verwaltung der Serben gibt?

Das kann doch nur zu weiteren Konflikten führen, oder?

In Mostar sieht man selbst fast 25 Jahre nach Kriegsende noch viele zerstörte Gebäude bzw. Gebäude, die mit den typischen Einschusslöchern übersät sind. Weit sichtbar ist zum Beispiel ein früher vollverglastes Bürogebäude, dass im Krieg von Scharfschützen genutzt wurde, um unter anderem auf wehrlose Zivilisten in den Straßen zu schießen. Widerlich!

Mostar 2022-1008

Ich erfahre an dem Tag mehr über den Krieg, die Politik und die Lage Bosnien-Herzegowinas, als ich mir wünsche. Aber es war interessant und im Nachgang bin ich froh, mal die ungefilterte Sichtweise eines Bosniaken gehört zu haben.

Zurück zu angenehmeren Themen.

Wir schauen uns außerdem die echt schönen Wasserfälle bei Kravica an. Man kann dort auch schwimmen, was den Ort aber noch touristischer macht, als er es eh schon wäre, auch ohne das Schwimmen.

Mostars Umgebung 2022-1000

Erst ein paar Tage später erfahre ich, dass man weiter oben in Ruhe auch baden kann und es etwas kleiner, aber genau so schön sein soll. Ohne eigenes Auto ging das halt nicht so recht.

In dem schon erwähnten Dorf Počitelj treffen wir ein altes Ömchen, welches noch ihren eigenen Sirup aus Pflanzen und Kräutern aus ihrem Garten herstellt und verkauft. Wir machen eine Sirupverkostung mit erraten, was es ist.

Ich belege mit 0 Punkten den letzten Platz. Ich erinnere mich noch an Lavendel, Feige und die 2 anderen leider nicht mehr. Meine Ausrede, der Sirup war extrem süß und das hat alles übertüncht.

Das Ömchen stellt frisches Obst auf den Tisch. Ich esse köstliche Feigen, bis mir der Bauch weh tut.

Dann gibt es noch typisch bosnischen Kaffee (wie türkischer Mokka, auch wenn sie behaupten, dass wäre etwas total anderes, nein ist es nicht) und ein Stück leckeren Kuchen.

Wir geben dem Ömchen 20 EUR als Dank. Natürlich alles total „freiwillig“ und nicht etwa, weil unser Guide eine ungefähre Höhe vorgeschlagen hätte. Ja ja Business halt. Jeder muss sehen wo er bleibt.

Und ich verstehe es, kein Problem. Ich habe mein Geld in Feigen locker abgegessen.

Das wieder aufgebaute Dörfchen ist übrigens wunderschön gelegen am Fluss.

Zum Abschluss geht es noch nach Blagaj zum sogenannten Derwisch-Haus. Das ist, warum auch immer, ein für Gläubige sehr wichtiger Ort. Einmal im Jahr ist hier ein großer Auflauf mit Tausenden von Menschen.

Mostars Umgebung 2022-1009

Es ist auf jeden Fall ein schöner Ort, mit dem Fluss, der aus dem Berg kommt und den Höhlen, die im Berg sind. Zum Erwandern der Höhle fehlt uns leider an dem Tag die Zeit (wir sind schon 11 Stunden unterwegs) und ich plane, hier noch einmal allein zurückzukehren.

Ich werde nicht zurückkommen, wie sich herausstellen wird. Zumindest nicht bei dieser Reise.

Im Hostel angekommen sind meine 2 schnarchenden Frauen ausgezogen und dafür 2 schnarchende Portugiesen eingezogen.

Ich überlege die ganze Nacht, ob es für meine Abneigung gegen Schnarchen eigentlich egal ist, ob es Frauen oder Männer sind. Ich finde keine befriedigende Antwort darauf und muss dann doch noch irgendwann eingeschlafen sein.

Am 3. Tag suche ich das Hotel Bristol auf, denn hier gibt es ein Café, in dem man angeblich ganz gut arbeiten kann.

Okay kann man und der Café Americano (für nur 1 Euro) schmeckt ganz gut. Passt also. Ich arbeite den Tag am Blog etc. und lasse den Abend wieder an der alten Brücke ausklingen, nachdem ich mir leckere Pasta gegönnt hatte.

Bei der Rückkehr im Hostel lerne ich Emma und Johanna kennen, zwei deutsche Studentinnen, die in Ljubljana studieren (wie scheinbar so viele über das Rasmus-Programm) und zum Hiking in Bosnien-Herzegowina und später in Montenegro unterwegs sind. Wir tauschen uns über alles mögliche aus und schwärmen zusammen von Ljubljana.

Die Portugiesen sind ausgezogen und Emma und Johanna ziehen in mein Zimmer ein. Sie fragen mich, ob ich schnarche. Ich verneine. Sie schnarchen auch nicht und wir freuen uns auf eine erholsame Nachtruhe.

Als die Beiden schon schlafen, zieht noch ein vierter Gast in unser Zimmer. Ein Usbeke, wie sich später herausstellt. Er schnarcht leider. Das scheint aber Emma und Johanna nicht zu stören. Nur ich liege wieder die halbe Nacht wach.

An Tag 4 breche ich zeitig auf. Ich möchte in der Nähe der alten Brücke mit der Drohne fliegen. Klappt auch alles. Drohne fliegen macht echt Spaß und schön, dass ich es hier auch darf.

Ich verbringe danach ein paar Stunden im Café vom Hotel Bristol und schreibe meine Gedanken nieder. Ich gönne mir dort auch eine Pizza Funghi.

Am Abend erzählen mir Emma und Johanna von ihrer Tour mit dem Bruder von Madja. Sie haben eine Free Walking Tour mit ihm in der Stadt gemacht. Wir vertiefen unser Gespräch bzgl. der politischen Lage hier in Bosnien-Herzegowina und versuchen die Wahrheit zu ergründen. Wir scheitern natürlich und geben auf. Aber nicht hoffnungslos, sondern hoffnungsvoll. Wir hoffen, dass das Land es auf die Reihe bekommt, denn uns gefällt es hier.

Pünktlich zur Nachtruhe ist auch unser usbekischer Mitbewohner zurück. Wie kann man nur so laut schnarchen?

Mein letzter Tag in Mostar beginnt wieder mit dem leckeren Frühstück von Madja und sie bietet mir an, kostenlos meine Wäsche zu waschen. Weil ich so lange gebucht habe, sagt sie. Toll! Ich nehme das Angebot an. Ich habe eh nicht viel, aber immerhin.

Den Tag verbringe ich mit rumschlendern in Mostar und viel Zeit an der alten Brücke. Diesmal habe ich mir die Pasta mitgenommen und esse an der Brücke. Ich sehe in der Zeit 2 Sprünge. Insgesamt habe ich 5 Sprünge von der Brücke beobachten können.

Was mir noch einfällt, ich habe ab dem 1. Tag immer an dem gleichen Eisstand Eis gegessen. Hier kostet es nur 0,75 EUR, die Kugeln sind riesig und es schmeckt sehr lecker. Besonders Kirsche und Melone schmeckt himmlisch. Je näher man der alten Brücke kommt, desto teuer wird das Eis und desto kleiner die Kugeln. Ob auch der Geschmack abnimmt, kann ich mangels Erfahrung nicht sagen.

Ich glaube ab Tag 3 erkannte mich der Eisverkäufer bereits und als ich hier am letzten Tag mit meiner Pasta Richtung Brücke entlang laufe, schaut er schon ganz erfreut, aber ich rufe ihm zu, dass ich später vorbeikomme.

Ich weiß nicht, ob er mich verstanden hatte, aber als ich später wirklich auf dem Rückweg wieder bei ihm Station machte, gab er mir kostenlos eine 3. Kugel obendrauf. Toll!

Ich hoffe nur, dass er nicht die falschen Schlüsse daraus zieht, dass ich danach nie wieder bei ihm aufgetaucht bin. Lieber Eisverkäufer, ich bin nur weiter gereist. Es hatte nichts mit ihnen oder ihrem Eis zu tun.

Zurück im Hostel realisiere ich, mein usbekischer Freund ist noch da. Halleluja. Na dann auf in die letzte Nacht.

CU Ingo.


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